"Karadikkal-Tag": Steinbruch statt Schule
2019-10-01 20:14
1,5 Stunden Steine klopfen: Jedes Jahr probiert die Stufe 6 in der Projektwoche, wie es sich anfühlt, in einem Steinbruch zu arbeiten. Unvorstellbar für uns, aber Alltag für viele Mädchen und Jungen in Indien. Mehr als 10 Stunden. Jeden Tag.
Unsere Schule unterstützt seit über zwei Jahrzehnten die Girls' Higher Secondary School, eine Mädchenschule in Karadikkal im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Warum eine Mädchenschule? In Indien werden Mädchen sehr vernachlässigt und können deswegen oft nicht in die Schule gehen und später einen vernünftigen Beruf haben. Damit sie nicht wie andere Kinder und Erwachsene im Steinbruch arbeiten müssen, gründete eine Wohltätigkeitsorganisation ein Internat für Mädchen aus armen Familien, wo sie lernen dürfen.
Der "Karadikkal"-Tag startete um 8 Uhr morgens in der Aula mit der gesamten Stufe 6 und einem - gespielten - Telefongespräch zwischen zwei "Deutschen": einem Kunden (Herrn Erdmann vom Bauamt) und dem Geschäftsinhaber eines Stein-Vertriebsunternehmens (Herrn Walter): Der Kunde will günstigen und hochwertigen Steinbelag für seinen neuen Marktplatz kaufen, der Stein-Vertrieb bestellt die Ware in Indien. Bevor die Steine überhaupt nach Deutschland geliefert werden können, müssen die Arbeiter in dem indischen Steinbruch (die Stufe 6) sie natürlich erst "herstellen".
Also wurde die gesamte Stufe in Fünfergruppen eingeteilt. Jede Gruppe sollte sich jeweils einen Stein holen, den sie mit ihren Hämmern in kleine Steine zerschlagen mussten - und zwar so klein, dass die Steine später durch ein bestimmtes Sieb passten. Damit verdienten sich die Kinder ihr "Geld", für das sie sich nach ihrer Arbeit etwas zu essen auf dem Wochenmarkt kaufen konnten, um damit ihre "Familien" zu ernähren. Hatten sie zum Beispiel 10 Paisas verdient, konnten sie sich eine kleine Handvoll Reis kaufen.
Nach anderthalb Stunden war die Arbeit geschafft. Die Schülerinnen und Schüler setzten sich wieder in die Aula, um eine Dokumentation über einen Steinbruch und die Kinder, die dort arbeiten, zu sehen. Anschließend erklärte Herr Brendel die Essensregeln für das Mittagessen nach indischer Sitte. An den Fenstern der Biologieräume durfte sich jeder ein leckeres Mittagessen abholen, das Stufen-Mütter extra zubereitet hatten. Es bestand aus einem Linseneintopf, Reis und Fladenbrot. Gegessen wurde natürlich mit der Hand!
Nach dem Essen und der Rückmeldung zum Tag in der Aula war der "Karadikkal"-Tag um 13 Uhr zu Ende. Für Tausende Kinder in Indien ist da lange noch nicht Schluss: Sie arbeiten noch viele Stunden weiter. Für einen Hungerlohn.
Text: Adelina Ana Bojahr (6D)
Fotos: Carla Nesselrath (6A)